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Begrüßung, Bericht und Laudatio DDR. Herbert Batliner Europainstitut 23. Juli 2000, Dr. Erhard Busek
23.07.2000

Sehr geehrte Damen und Herren!

Vor zwei Jahren durfte ich als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Öffentlichkeit einen ersten Bericht über das im Sommer 1997 eröffnete DDr. Herbert-Batliner-Europainstitut Salzburg präsentieren. Der Lebendigkeit unserer Zeit, der Zunahme des europäischen Denkens, aber auch der offenen Fragestellungen sowie einem engagierten Institutsbetrieb entspricht es, daß die Aufgabe, den Weg Österreichs nach Europa zu erforschen unter vielfältigen Herausforderungen auch neuer Art steht. Die Situation Österreichs in dem europäischen Integrationsprozeß, hier meine ich vor allem die Erweiterung der Europäischen Union, aber auch die notwendige Institutionenreform sowie die Entwicklung von europäischen Werten und nicht nur deren Deklamation geben Einrichtungen wie dem Institut eine ungeheure Chance, der wir auch nach besten Wissen und Gewissen zu entsprechen versuchen.

Lassen Sie mich einleitend einen persönliche Bemerkung machen. Der Namensgeber des Instituts, der nicht nur ausschließlich der Benefaktor, sondern auch der Mentor des Geschehens ist, hat das außerordentliche Mißvergnügen, in den Medien wiederholt in Zusammenhang mit allen möglichen Gerüchten genannt zu werden. Es entspricht aber der Tatsache, daß Herbert Batliner genauso viel oder genauso wenig darüber weiß wie wir, die wir diese Nachrichten lesen und verfolgen. Es wurde nicht nur keine Verfolgungshandlung gesetzt, sondern es haben jene, die solche Behauptungen in die Welt gesetzt haben, es nicht für notwendig befunden, auch nur irgend etwas richtigzustellen. Die heute in der Medienlandschaft übliche Vorverurteilung von Menschen, die offensichtlich durch Erfolg auffällig sind, belastet damit das Ansehen von jemanden, der in äußerst großzügigerweise nicht nur gegenüber dem Institut, sondern auch in Salzburg und in Österreich wirkt. Ich möchte diese Anerkennung Herbert Batliner ausdrücklich aussprechen, daß er in großzügigster Weise mit dem, was er und seine Familie erarbeitet hat, auch der europäischen Entwicklung helfen will. Es schmerzt mich, daß das nicht jenen Respekt findet, der notwendig wäre und viel eher einer Berichterstattung wert ist, als alles andere, was offensichtlich nur in die Welt gesetzt wird, um seinem Ansehen, aber auch, wie ich persönlich überzeugt bin, dem Fürstentum Liechtenstein zu schaden. Die Anwesenheit seiner Durchlaucht Fürst Hans Adam II. von und zu Liechtenstein möchte ich wahrnehmen, um aus alter persönlicher Verbundenheit mit der fürstlichen Familie meinen tiefen Respekt gegenüber dem, was das Fürstentum nicht zuletzt auch durch sein Staatsoberhaupt international erreicht hat, auszusprechen. Das scheint offensichtlich auch schon der Grund zu sein, um ein Land, das im internationalen Wettbewerb erfolgreich und für die europäische Entwicklung und die Stabilität unseres Kontinents sehr wirksam ist, mit allen möglichen Mitteln auch daraus auszuschalten. Ich bitte seine Durchlaucht und Herbert Batliner die Versicherung entgegenzunehmen, daß sich das Europainstitut dem Wirken des Klein- und Mikrostaates sehr verbunden fühlt und daraus eine ungeheure europäische Berufung ableitet.

In den zwei Jahren ist es bereits gelungen, eine Reihe von wissenschaftlichen Projekten abzuschließen, so eine Analyse und Dokumentation der EU-Präsidentschaft Österreichs im zweiten Halbjahr 1998 sowie einer Ringvorlesung über Entwicklung, Vorbereitung und Durchführung des EU-Beitritts Österreichs, die genauso wie das Symposium ''Europe in the Era of Globalization - Economic Order and Economic Law'' in Buchform aufgrund eines Vertrages mit dem Manz-Verlag dokumentiert sind und von Ihnen im Rahmen dieser Veranstaltung eingesehen werden können. Dieser Ringvorlesung ist auch eine zweite dank des Mitgliedes des Wissenschaftlichen Beirates Univ. Prof. Waldemar Hummer gefolgt, die den Beitrag der österreichischen Völkerrechtslehre zur Entwicklung dieser Disziplin festhält. Auch diese ist in Buchform zu erwarten, so wie die Dokumentation des EU-Beitritts Österreichs, die von Prof. Hummer und Botschafter Manfred Scheich gemeinsam durchgeführt wird und im nächsten Jahr als ein Standardwerk vorliegen wird. In Konsequenz haben wir auch eine vergleichende Analyse von ''Österreich, Finnland und Schweden als EU-Mitglieder'' in Auftrag gegeben. Die Aktualität erfordert auch rasche Aktivitäten, die im vorigen Jahr durch eine Tagung über Südosteuropa und die Vorbereitung des Stabilitätspakts in den Räumen des Institutes gegeben war. Ebenso wurde eine Analyse durchgeführt, die sich mit der Erweiterung der Europäischen Union befaßt. Persönlich darf ich dankbar anmerken, daß die Verbindung meiner Aufgaben mit dem Wissenschaftlichen Beirat sowie dem Regierungsbeauftragten für die Erweiterung der EU und der Präsidentschaft im Europäischen Forum Alpbach zusätzliche Möglichkeiten ergeben. So beabsichtigen wir eine Klausurtagung von Experten zur Institutionenreform der EU sowie zur Entwicklung einer Verfassung und des Grundrechtskatalogs, als auch eine Fortführung des Globalisierungssymposiums in der ersten Hälfte 2001.

Ein neuer Zweig hat sich durch Politikberatung ergeben, die einer Anregung des Wissenschaftlichen Beirates folgend nicht nur den EU-Abgeordneten Österreichs und deren Mitarbeitern, aber auch den Experten der Ministerien, Politischen Akademien, Kammern und Verbänden gegeben werden soll. Eine erste Veranstaltung über die Maßnahmen der EU-14 sowie über einige Judikate des Europäischen Gerichtshofs in Zusammenarbeit mit der Diplomatischen Akademie hat unerhörten Anklang gefunden, so daß wir im Oktober beabsichtigen, diese Reihe in Wien selbst fortzusetzen. Eine Selbstverständlichkeit ist der tägliche Bibliotheksbetrieb in den Räumen des Instituts, der auch durch den Status einer ''Deposit Library of the Council of Europe'' und der Vereinten Nationen Bemerkung gefunden hat.

Alle diese Aufgaben werden mit viel Engagement durchgeführt. Dafür ist dem Sekretariat, das mit der Wilfried Haslauer Bibliothek gemeinsam administriert wird, ebenso zu danken, wie dem Generalsekretär des Wissenschaftlichen Beirats, Univ. Prof. Dr. Robert Kriechbaumer. Ich darf hinzufügen, daß die notwendigen Arbeiten des Instituts in einer Arbeitsverteilung vor allem der Mitglieder des Beirates unendlich produktiv, zeitsparend und effektiv gelingt. Es bahnt sich auch eine zunehmende Vernetzung mit anderen Europainstituten z. B. mit dem Budapests an. Es geht dabei darum, den EU-Beitrittskandidaten jene Standards zu vermitteln, die durch Jahrzehnte errungen werden mußten und uns inzwischen selbstverständlich geworden sind.

Damit komme ich aber zum eigentlichen Anlaß dieser Veranstaltung und zu einem weiteren Akzent, den das Institut dank Herbert Batliner setzen kann. Über seinen Vorschlag wurde vom Wissenschaftlichen Beirat die Kriterien des Kleinstaatenpreises des Europainstitutes erarbeitet. Das Gründungsdokument führt aus:

Europäische Integration und Globalisierung haben die Rolle der Staaten insbesondere in Europa entscheidend verändert. Waren Geschichte und Politik im 19. und 20. Jahrhundert vor allem davon gekennzeichnet, daß große Staaten das Geschehen bestimmten und diese wieder oft aus Krieg, Unterdrückung und wirtschaftlichen Abhängigkeiten entstanden sind oder sich dazu entwickelt haben, so haben die Veränderungen in Europa seit 1989/90 dazu geführt, daß nicht nur die Zahl der Kleinstaaten gestiegen ist, sondern auch die politische und kulturelle Bedeutung dieser dadurch wächst, daß sich mehr und mehr internationale und supranationale Institutionen entwickelt haben, deren Reichweite auch in Zukunft zunehmen wird. Hand in Hand damit geht eine abnehmende Autarkie auch großer Staaten und Supermächte, wobei die Globalisierung zusätzlich zu einer Interdependenz führt, das heißt, daß die Staatengemeinschaft von einem generellen Wohlverhalten der Partner abhängt und Kooperation die Voraussetzung für Frieden und Wohlstand darstellt. Die internationalen und supranationalen Organisationen und Einrichtungen haben gleichzeitig auch die Voraussetzungen für die politische, wirtschaftliche und kulturelle Lebensfähigkeit der Kleinstaaten verbessert, wobei als Gegengewicht zu Globalisierung und kontinentaler Integration nicht nur die Bedeutung der Regionen zunimmt, sondern auch mit der Zunahme der Zahl der Kleinstaaten zu rechnen ist.

Das Interesse der Kleinstaaten wieder besteht darin, die Friedensordnungen und die gerechte Verteilung der Lebens- und Entwicklungschancen zu fördern, da aus ihrer Natur heraus Hegemoniebestrebungen fremd sind, der partnerschaftlichen Zusammenarbeit aber die Zukunft gehört.

Nach der Beschlußfassung und Dotierung des Preises hat der Wissenschaftliche Beirat auch einen Vorschlag erarbeitet, in dessen Konsequenz wir heute die Verleihung an den Staatspräsidenten Estlands, Dr. Lennart Meri vornehmen können. Bevor ich zur Würdigung dieser europäischen Persönlichkeit komme, lassen Sie mich noch einige prinzipielle Gedanken ausführen. Die ungeheure Vielfalt Europas, die sich einem wechselhaften Prozeß der Staatenwerdung und Nationsbildung ausdrückte, hat dazu geführt, daß es nicht nur große Einheiten - durch lange Zeit mehr Familienbesitz als Ergebnis einer nationalen Identität wie die alte Habsburgermonarchie - gegeben hat, sondern auch viele kleine Staaten entstanden sind, die durch die Auswirkungen des 19. Jahrhunderts zur Eigenstaatlichkeit kamen, aber infolge totalitäre Systeme diese im 20. Jahrhundert verloren haben und jetzt wieder die Chance erhalten haben, nicht nur ihre Identität zu entwickeln, sondern auch zu zeigen, daß manchmal die Kleinen zum gemeinsamen Mehr beizutragen haben, als die Großen oft tun. Das ausdrücklich anzuerkennen und dem Gedanken ''small is beautiful'' auch eine entsprechende Würdigung erfahren zu lassen, wurde der Kleinstaatenpreis geschaffen. Es geht nicht darum, ein schlichtes Lob des Kleinstaates zu singen und größere Staaten aufzufordern, schleunigst zu zerfallen, sondern darauf zu verweisen, daß die Balance von Macht und Recht gerade in Europa nicht nur Regelungen, sondern auch Denken und Phantasie verlangt, das in der wechselseitigen Akzeptanz liegt. Österreich hat im 20. Jahrhundert eine spezielle Erfahrung gemacht, als es von einer Mittelmacht in der Nachfolge zu einem der Kleinstaaten wurde, die Mitteleuropa heute im wesentlichen gestalten. Der Zerfall des Sowjetimperiums hat ein übriges dazugetan, alte Identitäten wieder aufleben zu lassen, politische und historische Ungerechtigkeiten zu beseitigen und uns die Vielfalt zu zeigen, die an sich in unserem Kontinent zu Hause ist. Dabei müssen wir wieder viel lernen. Ich bin überzeugt, daß viele, die im Westen Europas zu Hause sind, erst heute erfahren, was auf dem Boden des ehemaligen Sowjetimperiums alles an Vielfalt besteht. Daß es auch viel tragische Geschichte ist, braucht nicht betont zu werden, wie das zweifellos auch am Beispiel der baltischen Staaten leicht zu zeigen wäre.

In unserer Zeit einer medialen Öffentlichkeit gilt es auch, Zeichen zu setzen. Der Kleinstaatenpreis des Herbert Batliner Europainstitutes ist ein solches Zeichen, wobei es nicht darum geht, quasi Ehren zu verleihen, neue Auszeichnung zu schaffen, sondern eben ein Zeichen der Bedeutung und der eigenen Qualität zu setzen, die Kleinstaaten Europa bieten können. Es ist der rechte Augenblick, denn bei der notwendigen Reform der inneren Verhältnisse der Europäischen Union geht es auch um die Frage der kleineren Staaten gegenüber den größeren. Von neuen ''Achsen'' ist die Rede, von Direktoriumsideen und dergleichen mehr. Der große Erfolg der europäischen Integration liegt darin, daß sie ihm besonderen Respekt gegenüber der kleineren Staaten durchgeführt wurde, waren es doch die Benelux-Länder, die dazu einen großen Beitrag geleistet haben. Es gilt nicht der Buntscheckigkeit der Landkarte das Wort zu reden, sondern dem spezifischen Beitrag, den nicht nur Menschen, sondern auch gewachsene Länder geben können. Die Integration führt dazu, daß die Grenzen und der Nationalstaat an Bedeutung verlieren, um so mehr aber ist der kulturelle und politische Beitrag, den kleinere Einheiten leisten können, gewachsen ist. Die Globalisierung ist Wirklichkeit. So sehr man auch an deren Folgen seinen Gefallen oder Mißfallen finden kann. Sie wird aber nur erfolgreich sein, wenn sie nicht die Vielfalt konserviert, sondern nützt, um den Reichtum des Lebens zu zeigen.

Es ist eine außerordentliche Freude, daß Dr. Lennart Meri der erste Preisträger sein wird. Sein Leben, verbunden mit seinem Land sei kurz skizziert:

Lennart Meri ist 1929 geboren und entstammt einer Familie von estnischen Diplomaten. Sein Vater, Georg Meri, hat sich auch als Übersetzer von Shakespeare einen Namen gemacht. Die Ereignisse in unserem Jahrhundert haben es mit sich gebracht, daß die Familie Meri Estland verlassen mußte und er seine Ausbildungen in neun verschiedenen Schulen und vier verschiedenen Sprachen empfangen hatte. Die Familie wurde nach Sibirien 1941 mit anderen Bürgern der baltischen Staaten deportiert, um in Konzentrationslagern etwa eine Karriere als Kartoffelschäler oder Waldarbeiter zu machen. 1953 nach Estland zurückgekehrt graduierte Präsident Meri cum laude an der Tartu Universität. Seinen Beruf als Historiker durfte er aber nicht ausüben, so daß er am Theater ''Vanemuine'' und als Produzent in der Radiostation von Estland tätig war. Eine Reise in die Tian-Shan Berge in Zentralasien und die Kara-Kum Wüste hat Lennart Meri seine eigentliche Begabung entdecken lassen, wobei er mit den Büchern auch seine Familie zu unterhalten hatte, da sein Vater wieder ins Gefängnis mußte. Auch die Filme, die er geschaffen hatte, konnten in der Sowjetunion nicht gezeigt werden, haben aber etwa eine Silbermedaille beim New York Filmfestival gewonnen. Ein Ehrendoktorat der Universität Helsinki und die Ehrenmitgliedschaft der finnischen literarischen Gesellschaft waren Zeichen der Anerkennung. Zuhause war er verboten, aber seine literarische Arbeit, die Filme und Übersetzungen etwa von Remarque, Graham Greene, Solzhenitsyn und anderen haben zum Überleben der Identität Estlands beigetragen. Lennart Meri hat es als seine Aufgabe angesehen, die freie Welt an die Existenz von Estland zu erinnern und ein Netzwerk von politischen Menschen, Journalisten und estnischen Bürgern herzustellen, den Protest gegen die Zerstörung seines Heimatlandes zu artikulieren, die die Umwelt dieses Landes bedrohte. Mit dem von ihm 1988 gegründeten Estonian Institute baute er ein Netzwerk in Europa auf, um die Wiederherstellung seines Landes und der Demokratie voranzutreiben. Die Demokratie hat eine große Tradition in Estland, an die er als Außenminister seines Landes 1990 anschließen konnte. Eine aktive Teilnahme an OSZE-Konferenzen und die Wiederherstellung der internationalen Kontakte verschafften ihm auch in der Heimat eine große Anerkennung, so daß er am 6. Oktober 1992 zum Präsidenten der Republik Estland gewählt wurde, um 1996 eine Wiederwahl zu feiern. Es würde zu weit führen, alle Ehrungen aufzuzählen sowie die internationalen Anerkennungen zu erwähnen. Wir sind stolz, daß wir als Herbert-Batliner-Europainstitutes in einer Reihe mit diesen Anerkennungen stehen.

Als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates ist es mir eine Ehre, daß wir einstimmig Lennart Meri für diesen Preis vorgeschlagen haben. Mit dem Zeichen des Kleinstaatenpreises und mit dem Beispiel, das Lennart Meri gegeben hat und gibt, möge es gelingen, nicht nur die europäische Vielfalt zu fördern, sondern darin auch den konstruktiven Beitrag zum Gemeinsamen zu sehen. Ich darf nun Herbert Batliner bitten, gemeinsam mit mir den Preis für Verdienste um den Kleinstaat zu überreichen.

 

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